…ja nun ist die Pilgerreise geschafft, und ich sehe zurück in eine unpackbar aufregende Zeit mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Dinge die ich auf dieser Tour erlebt habe werde ich für immer in meinem Herzen behalten, und die Menschen die ich kennenlernen durfte ebenso!!
Als ich nach dem 88 Tempel wieder in das Hotel gegangen bin in dem ich meinen großen Rucksack gelassen habe, haben sie mich empfangen als wäre ich ein Familienmitglied… unglaublich alle haben auf mich gewartet und nach dem Essen haben sie mir eine Torte gebracht auf der stand „88 congratulations“! Es ist der Hammer wie liebevolle die Leute hier sind! Am nächsten Tag haben sie ich dann zum Bahnhof gebracht, und noch mit mir auf den Zug gewartet.
Nach den 88 Tempeln sind Tomo (Tsuda) und ich noch gemeinsam nach Koyasan gepilgert, da ist das Grab von Kobo Daishi und der allerletzte Tempel der Runde.- Er ist zu Fuss gegangen, und ich mit dem Zug gefahren, weil ich ja zwei Rucksäcke hatte. In den Unterkünften haben wir uns immer getroffen, so konnten wir unseren Abschied noch ein wenig hinauszögern.
Es ist mir noch nie so schwer gefallen von jemanden Abschied zu nehmen wie von ihm, weil ich mich bis jetzt noch nie von jemanden, den ich so ins Herz geschlossen habe, für immer verabschieden musste! Wenn man so eine Reise zusammen bestreitet verbindet das immens, und am liebsten hätte es ewig so weitergehen können- auch mit den schmerzenden Füßen!
Es wird mir fehlen ihn alles fragen zu können, mich vollkommen auf ihn verlassen zu können, mit ihm zu lachen und zu philosophieren, erstaunt darüber zu sein, über was er sich alles Gedanken macht, und jemanden zu haben, der mich schon so gut kennt, dass er ohne ich mich fragen zu müssen mein Essen bestellt… und es mir schmeckt. Für ihn war es selbstverständlich mit mir gemeinsam vegetarische Gerichte zu teilen, und mir meine Socken mit seinem Fön zu trocknen, wenn kein Trockner zur Verfügung stand.
Wir hatten schon unsere eigene Art zu kommunizieren und ohne ihn fühle ich mich jetzt zum erstenmal seit Langem ein bisschen alleine.
Während der Reise haben mich oft Leute gefragt, warum ich diese Pilgerreise mache, und warum ich mir ausgerechnet Japan ausgesucht habe- nun im Nachhinein überlege ich jetzt oft, ob es einfach nur wegen der Begegnung, mit diesem wunderbaren Menschen, sein sollte. Ich bin dem Schicksal so unglaublich dankbar, dass es uns zusammengeführt hat, auch wenn es am Anfang nicht danach ausgesehen hat, als ob wir Freunde werden würden!
Anfangs war er sehr kühl und distanziert, ich hatte das Gefühl er belächelt mich ein wenig, weil ich so völlig ohne Plan und ohne Japanischkenntnisse eine derartige Reise mache.
Als wir dann plötzlich nur noch zu Zweit unterwegs waren, hat sich unser Verhalten zueinander völlig verändert.
Ich hab erst auf den zweiten Blick hinter der oberlehrerhafte Fassade den herzensguten Menschen entdeckt- und das ist nicht das Einzige was ich lernen durfte- man muss nur ein bisschen Durchhaltevermögen und Gedult haben ;-).
Ich erinnere mich gut an einen Abend nach einem richtig harten Tag- um nicht zu sagen, es war der Härteste in meinem Leben…Er begann um 05:00 morgens, und behinhaltete ca. 30km Fussmarsch, 2 Berge, von denen der Zweite der Höchste der gesamten Tour war (fast 1000 Höhenmeter- also von 0 auf ca. 600, dann wieder runter auf 200, und wieder rauf auf ca. 1000). Es war ca. der 35 Tag ohne Unterbrechung, und ich hatte wieder zwei neue Blasen bekommen- schön synchron auf beiden Füssen, jeweils unten auf dem mittleren Zeh. Also um ehrlich zu sein, war ich beim Runtergehen kurz vorm Weinen vor lauter Schmerzen. Tomo hat mich gefragt, ob ich meinen Rucksack mit ihm tauschen möchte (seiner hat nichtmal die Hälfte von meinem Gewicht) aber ich habe tapfer abgelehnt. Als wir dann endlich in der Unterkunft angekommen sind war mein Akku völlig leer, ich dachte schon ich werde krank, mir war heiß, mir war kalt, ich schwitzte, meine Füße haben gebrannt und wenn ich meine Augen geschlossen habe, hätte ich sofort einschlafen können. Und als wir dann beim Essen saßen, habe ich Anweisungen bekommen wie man richtig japanisch ißt…“you’ve to bring the meal to you“…dass soll heißen, ich soll die Schüssel aus der ich esse heben, um die Distanz zum Mund zu verringern- ich konnte ihm ja nicht sagen, dass ich mit einer Hand meinen sterbenden Körper abstützen muss, also hab ich mich brav hingesetzt und die Schüsseln gehoben…ja jetzt kann ich schon fast so essen wie ein typischer Japaner 🙂 … no pain no gain 😉
Oder an manchen Tagen wenn wir zusammen gegangen sind, und ich meines Erachtens ganz gut unterwegs war, und von hinten plözlich wieder gekommen ist- „do you’ve pain- is this the reason why you walk so slow?“ und 5 Minuten später…“Carina, we’re not in hurry“… ja manchmal war es schwer, aber es war eine liebevolle und fürsorgliche Strenge 😉 und ich vermisse sie.
Und das aller schönste für mich ist, dass nicht nur er mir etwas beigebracht hat, sondern ich ihm auch ein paar Denkanstöße geben konnte.
An unserem letzten Tag hat er mich noch in mein Hotel in Osaka gebracht, und mir geholfen eine neue Kamera zu kaufen (ich hab meine kaputt gemacht). Er hat mir noch jede menge Tipps gegeben für Osaka, und eigentlich ganz Japan und hat gemeint ob wir uns vielleicht nochmal treffen, bevor ich das Land verlassen muss. Ich habe gesagt auf jeden Fall und hab ihn gefragt, was ich ohne ihn bloß machen soll, und er hat gemeint…“walk alound“ 🙂 …